Ob Panorama, 360°, Virtual- oder Augmented Reality, neue Bewegtbild-Formate revolutionieren die digitale Medienwelt und ermöglichen nicht nur außergewöhnliche Perspektiven für Nutzer, sondern auch eine neue Form von Nutzer-Erfahrung und Kunden-Nähe.
München, April 2017. Die Nachfrage der Menschen und Märkte treffen auf die inzwischen technologische Machbarkeit von VR und AR und führen zu einer rasanten Entwicklung von Hardware-, Software- und Content-Angeboten.
Der Artikel gibt einen Überblick über aktuelle Entwicklungen im VR- und AR-Bereich, liefert Cases und gibt eine Einschätzung, welche Möglichkeiten die neuen Formate für Unternehmen zurzeit bieten.
Unter Betrachtung der kritischen Aspekte soll zudem untersucht werden, inwiefern VR und AR noch signifikante Schwächen aufweisen und ob die Formate über einen Hype hinaus den Nutzern auch langfristig Mehrwerte bieten können:
VR, AR und 360°-Videos entwickeln sich momentan als Formate parallel aber nicht unabhängig voneinander. Manch einer wird sich fragen „Ist das noch ein 360°-Video oder schon Virtual Reality, wenn ich es durch eine VR-Brille betrachte?“. Im Folgenden sollen die Begriffe 360°, Virtual Reality und Augmented Reality daher unterschieden und die Überschneidungen aufgezeigt werden.
360°
360° ist das Bild- oder Video-Format, mit dem bewegte Bilder in vollständigem Rundumblick präsentiert werden können.
360° Fotos kann jeder ohne Probleme mit einem Smartphone oder einer Kamera selbst erstellen. Lediglich die Unterstützung einer App wird dann noch benötigt. Für die Erstellung eines 360° werden Einzelfotos aufgenommen und dann durch die Software zusammengefügt. Facebook bietet als Kanal die Möglichkeit, 360° Bilder hochzuladen und richtig anzuzeigen, aber auch in den meisten CMS ist eine Integration inzwischen möglich.
360° Videos können, ebenso wie ihr Standbild-Pendant, über die Maus, den Neigungssensor des Smartphones oder im vollen Umfang mithilfe einer Virtual-Reality-Brille betrachtet bzw. gedreht werden. Für die Produktion reicht allerdings eine normale Kamera oder das Smartphone nicht mehr aus. 360° Videos erfordern spezielle Kameras. Facebook selbst hat auf der diesjährigen f8 angekündigt, mit zwei eigenen Kamera-Modellen in den Hardware-Markt einzusteigen.
Virtual Reality
VR-Anwendungen versetzen den Nutzer in eine simulierte, dreidimensionale Umgebung. 360-Grad-Videos werden oft mit VR in Verbindung gesetzt, weil sie ein ähnliches Nutzer-Erlebnis bieten. Die Gemeinsamkeit liegt allerdings nur in der sphärischen Betrachtungsweise, während sich Einsatzzweck und Erlebnis fundamental unterscheiden: Ein 360-Grad-Video ermöglicht es einen Ort zu betrachten, indem man sich vom Standpunkt der 360-Grad-Kamera aus umsieht. In der VR ist es möglich, mit virtuellen Objekten und der Umgebung zu interagieren, während die reale Welt komplett ausgeschlossen wird.
Augmented Reality
In der Augmented Reality (oder „Erweiterte Realität“) werden digitale Objekte und Funktionen in die reale Umgebung integriert. Es werden also visuelle Zusatzinformationen über das Echtbild projiziert. Die reale Welt ist dabei weiterhin sichtbar. Vor allem bekannt ist diese Funktion seit der Game App Pokémon GO. Microsoft Hololens und der Klassiker Google Glass sind Beispiele für Endgeräte
Die Wiedergabe von 360° (Bewegt-) Bildern funktioniert auf mehreren Kanälen, wie z.B.
Das Format ist vor allem aufgrund der einfachen Anwendung und Produktionsmöglichkeiten momentan interessant für Unternehmen. Neue Erzählformate auszuprobieren ist so auch ohne großen Kostenaufwand möglich.
Youtube unterstützt 360° Videos seit Anfang 2015. Facebook ist im selben Jahr mit einer ähnlichen Funktion nachgezogen. Beide Plattformen bieten Nutzern dabei die Möglichkeit, das Smartphone zu nutzen, um seinen Blick schweifen zu lassen. Voraussetzung ist, dass man die jeweilige App nutzt.
Facebook unterscheidet sich durch die Nutzung eines anderen Algorithmus etwas von Youtube: 360-Grad-Videos benötigen normalerweise große Bandbreiten. Daher müssen diese gerendert oder codiert werden. Das Facebook-Format ermöglicht es, die Größe des originalen Videos um bis zu 80% zu reduzieren.
VR-Anwendungen dagegen sind vollständig berechnete Simulationen, die zum Großteil aus gerenderten 3D-Objekten bestehen und nur durch entsprechende VR-Brillen betrachtet werden können. Entsprechende Endgeräte sind momentan noch relativ teuer und haben eine dementsprechend geringe Verbreitung.
Erschwingliche Alternativen sind zum einen VR-Brillen, die das eigene Smartphone als Bildschirm nutzen (z.B. die Samsung Gear VR oder die Daydream View von Google) oder das Basteln eines Cardboards. Neben dem Original von Google lassen sich im Internet zahlreiche Schablonen und Vorlagen finden.
Dennoch liegt der Nachteil von VR-Formaten für Unternehmen in den Hardware-Voraussetzungen, die diese Technologie benötigt. Auch um sich ein einfaches Cardboard zu Basteln, muss der Kunde erst einmal den Willen und den Entdeckergeist haben, sich mit den virtuellen Welten zu beschäftigen. Ansonsten verschwinden die aufwändigen Inhalte schnell in der Versenkung.
Red Bull hat einen guten Case im Repertoire, der zeigt, wie man dieses Problem umgehen kann: In verschiedenen Ländern können sich Kunden aus dem Karton des Sixpacks ganz einfach selbst ein Cardboard bauen und die VR-Inhalte des Unternehmens mit Hilfe des Smartphones durch dieses betrachten.
AR-Anwendungen sind ähnlich komplex herzustellen, wie auch VR-Inhalte, haben aber den Vorteil, dass die Nutzer keine teure Hardware benötigen, um diese zu betrachten bzw. zu nutzen. Pokemon GO ist das beste Beispiel. Ein Smartphone mit Kamera und App reichen aus und die Welt wird um virtuelle Inhalte ergänzt.
Die neuen Möglichkeiten der VR bieten, z.B. für das Content Marketing, nicht nur die Möglichkeit sich abzugrenzen, sondern Marken und Produkte erfahrbar und erlebbar zu machen. Sie bieten aber auch weitere Vorteile:
Die Einsatzmöglichkeiten der VR- und AR-Technologie werden aktuell und in Zukunft für viele Branchen immer attraktiver. Gerade bei kostspieligen Anschaffungen bieten VR und AR die Möglichkeit, das Objekt im Voraus virtuell erleben zu lassen.
„VR-Journalismus kann eine große Wirkung erzielen: Nach der Empathie kommt [beim Zuschauer] der Wille zu handeln.“
Linda Rath-Wiggins, Medienwissenschaftlerin
Die Möglichkeiten, die sich Unternehmen mit den neuen Formaten bieten, sind letztlich Abhängig von Potential und Verbreitung der neuen Technologien. Momentan gibt es noch relativ wenig Anwender bzw. Besitzer von VR-Brillen. Überhaupt hatten lediglich 9% der deutschen Bevölkerung schon einmal ein VR-Device genutzt oder ausprobiert. Und auch die Anzahl der Personen in Deutschland, die VR-Brillen auf jeden Fall nutzen wollen ist mit 14% relativ gering.
Laut Prognosen sieht die Zukunft für den VR-Markt dennoch rosig aus. Deloitte geht bis 2020 von einem Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro aus. Und das allein für Deutschland.
Auf der diesjährigen f8 kündigte Facebook an, mit einer eigenen (Developer) Plattform für Augmented Reality Inhalte groß in den Markt einzusteigen. Dieses Engagement muss zu Teilen auch vor dem Kampf mit dem Konkurrenten Snapchat gesehen werden, die Plattform bietet aber mehr die bloße Kopie von Features der Konkurrenz. Neben den Augmented Reality Inhalten, entwickelt Facebook zudem mit „Spaces“ eine Art „Second Life“ in VR. Ein Schritt, der nach dem Kauf des VR-Brillen-Herstellers Oculus Rift aber kaum überrascht. Zumal man schon 2016 einen Teaser zu „Spaces“ sehen konnte. Dennoch gilt: Der Einstieg eines Big Players wie Facebook kann dafür sorgen, dass der Markt für VR tatsächlich die Größe erreicht, die ihm die Prognosen vorhersagen
Marktforschern der US-Beratungsfirma IDC zufolge soll AR drastisch nachziehen. Im Jahr 2021 sollen mit AR-Headsets etwa 50 Milliarden Dollar erwirtschaftet werden. Da die Kosten für Augmented Reality Hardware höher ausfallen sollen als für Virtual Reality Hardware, soll der Markt erst später wachsen, aber auch mehr Gewinne erzielen.
Auch Apple soll zusammen mit dem deutschen Unternehmen Carl Zeiss eine Augmented-Reality-Brille entwickeln. Und auch Konkurrent Microsoft bietet mit seiner HoloLens dem Nutzer die Möglichkeit, Objekte in die Realität einzublenden und die visuelle Zusatzinformation zu nutzen. Von Facebooks AR-Plattform Camera ganz zu schweigen.
Augmented Reality, Virtual Reality und 360 Grad bergen als Formate unheimlich viel Potential. Geschichten können aus anderen Perspektiven erzählt und betrachtet werden und Nutzer haben wortwörtlich die Möglichkeit ihren Blickwinkel selbst zu bestimmen, wodurch sie sich aktiver mit den Inhalten beschäftigen.
Größte Hürde für den Erfolg von VR-Inhalten ist momentan noch der geringe Verbreitungsgrad der benötigten Hardware. Betrachtet man aktuelle Studien zu den Absatzzahlen von Virtual Reality Brillen, erscheint es so, als ob es zu wenig Nutzer bzw. Kunden mit einem solchen Device gibt, um eine ausreichend große Masse zu erreichen. 360-Grad Inhalte dagegen benötigen nutzerseitig keine eigene Hardware und auch für Augmented-Reality-Inhalte reichen meist Smartphone oder Tablet.
Sollten sich die Prognosen erfüllen, stehen Unternehmen vor der Aufgabe, die neuen Formate sinnvoll in ihren Content Mix zu integrieren. Sobald die Technologie und der Hype dann nicht mehr der Grund sind, „virtuelle“ Inhalte zu produzieren, wird es darum gehen, sinnvolle Verwendungszwecke zu finden.
Autoren: Elena Osiander, Philipp Hoffrichter